Wirtschaftsstandort Landkreis Dachau – Vertreter der lokalen Wirtschaft analysieren Aussagen des neuen Zukunftsatlas

03. Februar 2023: Was ist die Perspektive für der Wirtschaftsstandort Dachau und wie ist Dynamik kurz- und mittelfristig messbar? Der sog. Zukunftsatlas des Schweizer Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos hat dem Landkreis Ende 2022 in seinem Report eine eher schlechte Perspektive in Sachen Entwicklung attestiert. Um diese Einschätzung mit den örtlichen Akteuren im Wirtschaftsraum Dachau zu diskutieren, lud Landrat Stefan Löwl Ende Januar zu einem Gespräch.

Teilnehmer waren Vertreterinnen und Vertreter der lokalen Wirtschaft, vom IHK-Regionalausschuss, Kreishandwerkerschaft, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Wirtschaftsförderungen sowie der Arbeitsverwaltung. Ziel der Veranstaltung war es, die einzelnen Themenbereiche im Zukunftsatlas näher zu beleuchten und - wo nötig und möglich - Maßnahmen abzuleiten.

Stichworte Demographie und Arbeitsmarkt: Um das veröffentlichte Ranking zu analysieren, ist aus Sicht der Gesprächsteilnehmer der Vergleich mit den Landkreisen der Region München notwendig. Mit Blick auf die aktuellen Zahlen aus den Landkreisen Dachau, Freising, Erding und Ebersberg können die Experten keinen fundamentalen Unterschied feststellen und somit die stark abweichenden Ränge im Bereich „Arbeitsmarkt“ auch nicht erklären. Die Spitzenränge der Landeshauptstadt München und des Landkreises München sind ebenfalls durch die relevanten Arbeitsmarktdaten nicht eindeutig zu begründen. Andreas Bräutigam, Bereichsleiter der Arbeitsagentur Freising, welche für die vier Landkreise Dachau, Freising, Erding und Ebersberg zuständig ist, bestätigt dies: „Der Arbeitsmarkt im Landkreis Dachau erwies sich in den letzten Jahren als robust. Die Arbeitslosenquote liegt, von saisonalen Effekten abgesehen, wieder nahe der Vollbeschäftigung. Wir verzeichnen einen stark gestiegenen Stellenbestand.“

Ranking im Bereich „Wettbewerb und Innovation“: Hier sehen sich die Dachauer Akteure gegenüber Städte mit universitären Einrichtungen oder Forschungszentren zwar im Nachteil, aber auch in diesem Feld ist im relativen Vergleich zu den Nachbarlandkreisen die in der Studie festgestellte Abweichung schwer nachvollziehbar. „Diese Rangfolgen widersprechen den Ergebnissen der letzten IHK-Befragung“ bestätigt Werner Mooseder, IHK-Regionalausschussvorsitzender für den Landkreis Dachau: "Bei unserer Standortumfrage 2019 gaben die Unternehmen dem Landkreis die Note 1,9 und damit lag unsere Region oberbayernweit auf Platz drei. Seitdem ist aber viel passiert und die Wirtschaft im Landkreis kämpft mit vielen Herausforderungen gleichzeitig. Deswegen reicht es nicht, sich auf den Erfolgen aus vergangenen Jahren auszuruhen. In diesem Jahr fragt die IHK wieder die Zufriedenheit der heimischen Unternehmen ab. Dann kennen wir die aktuellen Schwachstellen, die die Politik gemeinsam mit der Wirtschaft dringend angehen muss."

Das schlechte Abschneiden im Bereich „Dynamik“ erklären sich die Wirtschaftsvertreter mit der aktuell geringen Entwicklung in wirtschaftlich relevanten Bereichen. In den letzten Jahren konnten im Landkreis Dachau kaum neue Gewerbeflächen ausgewiesen werden, wichtige Infrastrukturprojekte wurden nicht umgesetzt und auch innerstädtische und innergemeindliche Entwicklungen ziehen sich seit Jahren. Hier fordern die Vertreter der lokalen Unternehmen und aus dem Handwerk sowie die Wirtschaftsverbände gegenüber den politischen Akteuren ein deutlich größeres Engagement. Die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen, sowohl für Erweiterungen bei Bestandsbetrieben, aber auch für Neuansiedlungen werden als das größte Hemmnis erachtet. Diese Erfahrung musste auch der stellvertretende Kreishandwerksmeister, Bäcker- und Konditormeister Hans Wörmann aus Niederroth machen: „Für einen Handwerker ist es momentan fast unmöglich, ein Gewerbegrundstück zu finden, egal in welcher Gemeinde im Landkreis, und wenn doch, dann ist der Staat so schwerfällig, dass es mehrere Jahre dauert bis zum Spatenstich“. Hinzu kommt der fehlende Ausbau der notwendigen Infrastruktur, insbesondere die seit Jahren geplanten Umgehungsstraßen sowie die Erweiterung der lokalen und regionalen ÖPNV-Trassen. Die Zuständigkeit hierfür liegt primär jedoch bei Bund und Freistaat und kann vor Ort wenig beeinflusst werden.

Auch die langen Planungs- und Verfahrenszeiten in den Gemeinden, der Stadt und den Ämtern fördern kein dynamisches Umfeld. “Innovation kann sich nur dort bilden, wo es eine Wachstumsdynamik gibt“, sagt Werner Mooseder: „Dies gehört zwingend zusammen und hier muss sich was im Landkreis Dachau bewegen.“ Was die Gewerbeflächenentwicklung betrifft, verweist die Stadt Dachau darauf, dass in den vergangenen Jahren mit dem NU-Park südlich der Schleißheimer Straße und dem Gebiet südlich der Siemensstraße (neue Marie-Curie-Straße) durchaus neue Flächen ausgewiesen bzw. reaktiviert wurden. Auch auf dem ehemaligen MD-Gelände sind beträchtliche Flächen für gewerbliche Nutzung vorgesehen. Der Abbau bürokratischer Hemmnisse und die Reform gesetzlicher Vorgaben liegt jedoch nicht in Händen der Kommunen, sondern in jenen von Freistaat, Bund und EU. „Außerdem verhindern bestehende Nutzungskonkurrenzen sowie Eigentümerinteressen in vielen Fällen eine, zumindest zeitnahe, Ausweisung von Gewerbeflächen für lokale Betriebe,“ ergänzt der langjährige Wirtschaftsförderer des Landkreises Johann Liebl.

Mit allen Ideen, Anregungen und Wünschen wollen die Gesprächsteilnehmer sich nun an die relevanten Entscheidungsträger wenden. Die größten Herausforderungen und Probleme liegen sowohl auf örtlicher Ebene, insbesondere bei der Verfügbarkeit und Ausweisung von Gewerbeflächen, mit Blick auf gesetzliche Vorgaben und bürokratische Hemmnisse aber auch bei der höheren Politik. Neben lokalen Gesprächskreisen mit Bürgermeistern und Mandatsträgern wird die Wirtschaftsförderung im Landratsamt auch Kontakt zum Wirtschaftsstaatssekretär und ehemaligen Landrat Roland Weigert (FW) aufnehmen und Ihn zu einem Gespräch in den Landkreis Dachau einladen.