Landkreis Dachau nimmt weitere Flüchtlinge auf

12. März 2022: + Runder Tisch „Ukraine“ mit Vertretern von Behörden, Gemeinden, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und aus der Bildungsarbeit + Aktuell bereits über 350 Kriegsflüchtlinge im Landkreis registriert, am Wochenende werden bis zu 200 weitere Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet + Landkreis unterstützt Partnerlandkreis in Oświęcim/Auschwitz + Besonderer Fokus muss auf den Kindern und Jugendlichen liegen + private Unterkunfts- und Hilfsangebote weiterhin benötigt

Nach der ersten internen Sitzung der Koordinierungsgruppe Ukraine, lud Landrat Stefan Löwl am Freitag, den 11. März 2022, zu einem digitalen „Runden Tisch Ukraine“ ein. Anknüpfend an die guten Erfahrungen mit der frühzeitigen und breiten Einbindung und Vernetzung aller hauptamtlichen Akteure im Landkreis während der Flüchtlingskrise 2015/2016 sowie während der Corona Pandemie trafen sich die Vertreter:innen der freie Träger, von BRK, Caritas und AWO, sowie aus Kirchen, von der Polizei und der Arbeitsagentur, aber auch die Bürgermeister der Gemeinden im Landkreis, die Volkshochschulen sowie das Schulamt und KiTa-Betreiber digital zur Lagebeurteilung und Abstimmung der anstehenden Maßnahmen. Ziel ist es, durch eine einheitliche Lageeinschätzung und die Bündelung von Fragen die Maßnahmen im Landkreis zu koordinieren, Doppelarbeit zu verhindern und einen ständigen Informationsaustausch sicher zu stellen. Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass eine sehr schnelle und gute Vernetzung ein wichtiger Bestandteil zur Bewältigung der Situation ist.

Zu Beginn der Sitzung fasste Landrat Stefan Löwl die nach wie vor fast surreale Situation zusammen: Über zwei Millionen Menschen haben die Ukraine bereits verlassen, viele mehr sind noch auf der Flucht. In Polen, und auch in Dachaus Partnerlandkreis Oświęcim/Auschwitz ist die Situation bereits deutlich ernster als im Landkreis Dachau. Dort sind bereits über 1.700 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angekommen und es bestehen kaum entsprechende Aufnahmestrukturen. Bei einer Größer und Einwohnerzahl ähnlich dem Landkreis Dachau bringt das die Infrastruktur und Verwaltung bereits an die Belastungsgrenze. In einer Video-Konferenz am Vormittag mit Landrat Andrzej Skrzypiński und den dortigen Verwaltungsspitzen konnte Landrat Stefan Löwl etwas aus den Erfahrungen der Flüchtlingskrise 2015/2016 berichten und bot auch kurzfristige und unbürokratische Hilfe an (Bericht folgt).

Im Landkreis Dachau sind bis Freitagmittag 350 Personen beim Ausländeramt registriert. An diesem Wochenende werden weitere vier Busse mit bis zu 200 Kriegsflüchtlingen erwartet. Zwei Busse kommen direkt von der ukrainischen Grenze, zwei weitere werden dem Landkreis aus dem Ankunftszentrum in München zugewiesen. Aus den Erfahrungen der letzten Ankunft erwartet die Verwaltung, dass – zumindest bei den beiden Bussen direkt aus der Ukraine – nur etwa die Hälfte der Menschen hier im Landkreis Dachau bleiben werden; die übrigen wollen weiterreisen zu Verwandten und Bekannten in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Ziel ist es weiterhin die Flüchtlinge privat unterzubringen, insb. auch, da persönlicher Kontakt und direkte Hilfestellungen gerade in der Ankunftszeit besonders wichtig sind. Zeitgleich richtet sich das Landratsamt als Katastrophenschutzbehörde aber auch darauf ein, Menschen in größeren Unterkünften, ggf. auch in Notunterkünften in Sporthallen – zumindest temporär - unterbringen zu müssen.

Die Altersstruktur der Flüchtlinge, die bisher im Landkreis Dachau angekommen sind, ist sehr divers. Vorrangig sind die Ankömmlinge Frauen oder Kinder, es gibt nur ganz wenige Männer im Alter zwischen 21 und 60. Von der 350 bisher registrierten Personen, sind ca. 150 unter 18 Jahren; davon ca. 35 Kinder sind unter sechs Jahren, weitere 55 Kinder sind zwischen sechs und zehn Jahre, etwa 25 Kinder sind zwischen 11 und 14 Jahren und knapp 35 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahre.

Besonders die Kinder und Jugendlichen sind eine besondere Herausforderung für die weitere Betreuung hier im Landkreis. Alle Beteiligten im „Runden Tisch Ukraine“ sind sich einig, dass insb. die Kleinsten so schnell wie möglich in Kindertageseinrichtungen und Schulen integriert oder durch spezielle Betreuungs- und Bildungsmaßnahmen unterstützt werden müssen. Ziel ist es, den Kindern auch in der Fremde eine gewisse Normalität und Alltagsstruktur zu geben und den Kontakt zu Gleichaltrigen sicherzustellen. Dank der guten Zusammenarbeit mit den unterkunftsstellenden Personen bzw. Privatfamilien, können Informationen direkt und schnell kommuniziert werden. Die ersten Flüchtlingskinder aus der Ukraine sind bereits in den Grund- und Mittelschulen im Landkreis aufgenommen. Sie gehen entweder in bestehende Deutschklassen oder nehmen am altersentsprechenden Unterricht in den Klassen teil. Alle Teilnehmer appellieren an die ganze Schulgemeinschaft, sich mit diesen Kindern solidarisch zu zeigen und mögliche Einschränkungen im Schulbetrieb zu akzeptieren bzw. sogar mit eigenen Hilfs- und Unterstützungsangeboten – von der Sammlung von Unterrichtmaterial, dem gemeinsamen Lernen und Unterstützung bei den Hausaufgaben bis hin zur Einbindung in Freizeitaktivitäten - den Kindern beizustehen. Auch einige Sportvereine im Landkreis haben sich schon bereit erklärt, Ihre Angebote für Flüchtlingskinder unbürokratisch zu öffnen.

Da speziell in der Kinderbetreuung die personelle Situation seit Jahren angespannt ist, werden hier zusätzliche Lösungen gesucht. Neben speziellen Gruppen soll mittelfristig auch versucht werden, geflüchtete und hier im Landkreis Dachau angekommene ukrainische Pädagog:innen und Erzieher:innen für die Mitarbeit zu gewinnen und einzubinden.

Für alle angekommenen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gilt es außerdem, möglichst schnell ein Netz von Anlaufstellen sowie ein Netzwerk aufzubauen, um den Austausch untereinander zu ermöglichen. Die Freien Träger sowie die Kirchen tragen hier eine entscheidende Rolle.

Auch individuelle Hilfen sind nötig und werden angeboten. Beispielsweise hat die Caritas einen sozial-psychologischen Dienst, der auch von den Personen genutzt werden kann, die traumatisierte Flüchtlinge aufgenommen haben.

Dank des hohen Engagements der Bürger:innen im Landkreis stehen nach wie vor noch viele private Unterkünfte zur Verfügung. Diese sind zumeist für zwei oder drei Personen vorgesehen, so dass besonders größere Familien bei der Unterbringung eine Herausforderung sind. Auch Flüchtlinge mit Haustieren stellen eine besondere Herausforderung bei der Vermittlung privater Unterkunftsmöglichkeiten dar. Private Wohnangebote nimmt die Stabstelle EBI nach wie vor sehr gerne entgegen und vermittelt bei Bedarf auch Kontakt zu anderen Personen, die bereits Wohnraum angeboten haben. Unter www.landratsamt-dachau.de/Hilfe-Fluechtlinge können weiterhin Unterkünfte sowie andere Hilfen (z.B. Dolmetscherleistungen) angeboten werden.

Das Landratsamt Dachau weist darauf hin, dass es – zumindest aktuell noch – keine ständig besetzte Aufnahmeeinrichtung im Landkreis Dachau gibt. Diese ist für Oberbayern im Ankunftszentrum in München (Maria-Probst-Str. 14). Einzelne Flüchtlinge und auch Kleingruppen, die keinerlei Bezug aufgrund von Verwandtschaft oder Ähnlichem in den Landkreis Dachau haben, sollten sich dort melden. Das Ankunftszentrum in München ist rund um die Uhr geöffnet und von dort aus erfolgt dann die zentrale Verteilung in alle oberbayerischen Landkreise. Mit Blick auf die aktuelle Situation geht das Landratsamt Dachau derzeit davon aus, das pro Woche 100 bis 200 Personen über das Ankunftszentrum München in den Landkreis Dachau zugewiesen werden.

Landrat Stefan Löwl erläutert das vorgehen: „mit einem Vorlauf von 24 bis 48 Stunden können wir derzeit in Schönbrunn die Erstaufnahme inkl. Coronatestung und medizinischer Begutachtung sowie Registrierung umsetzen. Dank der vielen ehrenamtlichen Helfer:innen von BRK, THW und aus den Feuerwehren, aber auch mit einem – erneut – außergewöhnlichen Einsatz der Mitarbeiter:innen aus dem Landratsamt und unterstützt durch die freien Trägern sowie ehrenamtliche Dolmetschern werden die Flüchtlinge herzlich aufgenommen und betreut. Sie werden dann auf private Unterkünfte oder behördliche Einrichtungen verteilt oder können sich für die Weiterfahrt ausruhen, duschen und auch etwas schlafen. Mit den vielen Helfer:innen im ganzen Landkreis funktioniert das bisher sehr gut. Ein herzliches Vergelt’s Gott dafür.“

Für eine längerfristige Unterbringung alle Flüchtlinge im Landkreis sucht das Landratsamt Wohnungen bzw. leerstehende Häuser. Entsprechende Angebote können – ebenfalls digital – auf nachstehender Seite eingereicht werden: https://www.landratsamt-dachau.de/familie-bildung-migration/migration-asyl/asyl-im-landkreis/online-wohnraumboerse/mietangebot/