Gegen das Vergessen
In der Reihe der Kreisheimatpflege „Gegen das Vergessen“ wird im jährlichen Turnus auf außergewöhnliche Persönlichkeiten aufmerksam gemacht, die sich im sozialen, politischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich verdient gemacht haben. 2023 wird an die Lehrerfamilie Hindinger aus Unterweikertshofen erinnert.
Ein Lehrerleben auf dem Land -
Die Lehrerfamilie Hindinger aus Unterweikertshofen
Wer heute den Dorffriedhof bei der Kirche St. Gabinus in Unterweikertshofen betritt, bemerkt auf der linken Seite das Familiengrab Hindinger mit Jakob, Philomena, Karl und Josepha. 41 Jahre war Jakob Hindinger Lehrer in Unterweikertshofen. Eine lange Zeit, in der fast zwei Generationen von Schülern von ihm betreut wurden.
Wer war Jakob Hindinger und was ist heute über ihn und seine Familie bekannt?
Am 16. Juni 1880 tritt Jakob Hindinger (geboren am 25. Mai 1856 in Landsberg) seine Stelle in Unterweikertshofen an. Am 18. Juli stellt er einen Antrag auf Ehebewilligung und am 20. August heiraten er und die 27jährige Lehrerstochter Philomena Rauschmayr in Vierkirchen.
Das Paar bekommt sechs Kinder und lebt in der Lehrerwohnung im Schulhaus, heute die Gastwirtschaft „Zum Schuihaus“.
Die Wohnung befindet sich neben dem Klassenzimmer im Erdgeschoß. Dort werden alle Schüler von der 1. bis zur 7. Klasse, zwischen 70 und 75 Kinder (!) in einem Raum unterrichtet. Der Unterricht wird von Strenge und Disziplin bestimmt.
Diese Strenge bekommt sicherlich auch einer der heute bekanntesten Schüler des Ortes zu spüren: der junge Mathias Kneißl, 1875 in Unterweikertshofen geboren, verbringt seine ersten Schuljahre bei Lehrer Hindinger. Seine Schulnoten sind bis auf die musischen Fächer eher mäßig und 1883 schreibt Hindinger im Klassenbuch über den damals Achtjährigen: „Junge Musikanten - alte Bettler: Versteht jetzt schon die Harmonika besser zu handhaben als das Lesebuch und spielt zur Belustigung u. Vergnügen der Großen auf. Das kann doch gewiss keine gute Erziehung genannt werden.“
Klar sieht der Lehrer aber auch, dass Kneißls Verhalten und Lerneifer mit der häuslichen Situation zusammenhängt. Kneißls Mutter leiste keine konsequente Erziehung und Hindinger fände es besser, wenn Mathias Kneißl ihrem Einfluss entzogen würde: „Sehr gut wäre es, wenn der Knabe in eine Besserungsanstalt verbracht würde, vielleicht gelänge es noch ihn zu retten (Eine Zuchthauspflanze).“
Mathias Kneißl bleibt aber in der Obhut der Familie, die in die Schachermühle bei Sulzemoos umzieht und sein weiterer Weg führt bekanntermaßen immer weiter in die Kriminalität, ins Gefängnis und letztendlich zu seiner Hinrichtung.
So wie Lehrer Zeugnisse ausstellen und Noten vergeben, werden sie selbst auch bei Schulvisitationen durch Schulinspektoren bewertet. Jakob Hindinger wird zum Beispiel 1897 attestiert: „Schullehrer Hindinger hat in seiner Schule eifrig und zielbewusst gearbeitet“ und auch seine Schüler schneiden nicht schlecht ab, obwohl der Inspektor mehr Begeisterung erwartet hätte: “Wenn es dem genannten Lehrer gelingt, die innere Beteiligung der Kinder zu steigern“, könne die Beurteilung noch positiver ausfallen.
1908/09 nimmt Jakob Hindinger für seine Gemeinde an der Befragung des neu gegründeten „Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskunde“ in München teil. Das Ziel war eine Sammlung „der materiellen und immateriellen Aspekte des Alltagslebens sowie der Glaubens- und Wertvorstellungen der breiten Bevölkerung“. Hindinger verdanken wir eine Bestandsaufnahme zu Bräuchen im Jahres- und Lebenslauf der dörflichen Bevölkerung in und um Unterweikertshofen – eine wichtige Quelle für die Heimatforschung.
Bei allem beruflichen Erfolg, so ist er auch Vorstand des Bezirkslehrerverbandes in Dachau, hat Jakob Hindinger privat einige Schicksalsschläge zu verkraften. Seine Frau Philomena verstirbt bereits 1903 und alle Söhne werden im 1. Weltkrieg als Soldaten eingezogen. Karl, lt. Grabinschrift „Oekonomiepraktikant“ fällt 1918 in Cambrai, seine Brüder Jakob und Johann kehren nach Kriegsende nach Unterweikertshofen zurück. Dort bereitet ihnen die Dorfgemeinschaft eine Kriegerheimkehrfeier am 13. Januar 1919, bei der Hindinger eine Festansprache hält.
Ab 1916 macht ihm zunehmend seine Gesundheit zu schaffen. Er ist wiederholt erkrankt und wird am 21. Februar 1921 „auf sein Ansinnen wegen nachgewiesener Dienstunfähigkeit unter Anerkennung seiner Dienstleistung in den dauernden Ruhestand versetzt.“ Daraufhin beginnt er eine Wohnung zu suchen, was sich äußerst schwierig gestaltet, sodass sein Nachfolger Christian Schmidtner und dessen Frau noch ein paar Jahre zusammen mit ihm im Schulhaus wohnen. Seinen Lebensabend verbringt er in Unterweikertshofen. Er sei sehr beliebt gewesen, „besonders durch seinen Humor und seinen Witz, den er sich bis in sein hohes Alter bewahrt“ habe, schreibt der Amperbote am 2. März 1933 in einem Nachruf, nachdem er am 28. Februar verstorben war.
Und das „Fräulein“ Josepha Hindinger (28. Juli 1883 – 18. September 1946), die einen eigenen kleinen Grabstein am Familiengrab hat? Sie führt die Familientradition des Lehrberufs als Handarbeitslehrerin fort. Da bis 1951 das sogenannte „Lehrerinnenzölibat“ in Kraft ist, kann sie nicht heiraten, ohne ihre Pensionsansprüche zu verlieren. Zweimal taucht sie in den Aufzeichnungen der Gemeinde Unterweikertshofen auf: als 1912 der Radfahrerverein Concordia gegründet wird, ist sie als Mitglied auf einem Foto mit ihren männlichen Vereinskollegen abgebildet. Sie wird „Fräu´n Peppi“ genannt und ist, wie mündlich überliefert ist, mit dem Bader Josef Oswald, rechts von ihr im Bild, befreundet. Wo sie zu dieser Zeit unterrichtet, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Laut Aufzeichnungen der Gemeinde Erdweg wird sie 1943 für den Unterricht in Unterweikertshofen verpflichtet. Dort werden die landwirtschaftlichen Berufsschulen aus Walkertshofen und Hof gemeinsam unterrichtet. Jeden 1. Montag sei auf dem Lenzbauernhof praktischer Unterricht abgehalten worden, den der Landwirt Schwibinger für die Buben erteilt und „Handarbeitslehrerin Frl. Hindinger“ für die Mädchen.
Der Beitrag ergänzt die Recherchen zum Leben von Dorflehrern im Landkreis Dachau. Weitere Informationen bieten die Schulgeschichten in den Gemeindechroniken und ein Blogbeitrag der Kreisheimatpflege:
Mein Dank gilt Dr. Annegret Braun (Kneißl), Heidi Grünerbel (Chronik Unterweikertshofen), Rebekka Koller (Gemeindearchiv Erdweg) und Elisabeth Lang (Zeugnisse Kneißl) für die zur Verfügung gestellten Informationen und Dokumente.
Weitere Literatur und Quellen
- Martin A. Klaus: Der Räuber Kneißl. München 2000 (Zitat Klassenbuch)
- Josef Reiner: Dorf- und Familienbuch von Unterweikertshofen, Guggenberg und Langengern. Unterzeitlbach 1995.
- Amperbote 9. und 16. November 1912, 2. März 1933, Stadtarchiv Dachau, digitale Ausgaben
- Amperbote 29. Juni 1920 unterweikertshofen (hubertus-bergkirchen.de)
- StAM LRA 35036 Außerordentliche Visitation der Schule Unterweikertshofen 1897
- StAM LRA 129057 Erledigung und Wiederbesetzung der Schulstelle in Unterweikertshofen 1875-1920
- StAM LRA 129059 Gesuch des Schullehrers Jakob Hindlinger zu Unterweikertshofen um dienstliche Verehelichungsbewilligung 1880
- StAM LRA 129060 Lehrerdienstwohnungen in Unterweikertshofen (darin Skizze des Schulgartens) 1882-1964
- StAM LRA 129963 Reichnisse zum Schul- und Mesnerdienst in Unterweikertshofen 1884
- Gemeindearchiv Erdweg 322/1 3/11-2 (Gemeinde Unterweikertshofen)
- Umfrage 1908: Unterweikertshofen, Landkreis Dachau. Antwort auf die Rundfrage 1908 | bavarikon
2005: Unterstützer von KZ-Häftlingen
Hans Köchl, Landwirt (1891-1972)
Max Königer, Notar (1910-2005)
Dr. Erika Mayer, Zahnärztin (1908-1972)
Rosina und Richard Turba, Lagerhausverwalter
2006: Wissenschaftler
Prof. Alois Dempf, Philosoph (1891-1983)
Prof. Dr. Josef Göttler, Pädagoge (1874-1935)
Dr. Franz Lang, Ingenieur (1873-1956)
2007: Über den Gutshof hinaus – erwarben sich polit., soz., wissenschaftl. Verdienste um ihre Mitbürger
Freiherr Kaspar von Schmid, Gutsbesitzer Hofmark Schönbrunn (1611-1693)
Viktoria von Butler-Clonebough, Gutsbesitzerin Schloss Haimhausen (1811-1902)
Peter Paul Winkler, Gutsbesitzer Gut Rotschwaige (1880-1962)
2008: Museumsgründer
Hermann Stockmann (1867-1938)
Hans von Hayek (1869-1940)
August Pfaltz (1859-1917)
Richard Huber (1902-1982)
2009: Opfer politischer Gewalt
Josef Großmeier stellvertretend für viele Tote in Dachau und München als Opfer der „Schlacht um Dachau“ April 1919
2010: Heimatforscher und Heimatpfleger
Dr. August Kübler (1863-1936)
Dr. Josef Scheidl (1875-1953)
Heinrich Neumaier (1913-1976)
2011: Ärztliche Pioniere
Dr. Heinrich Engert (1831-1915)
Dr. Felix Engert (1876-1940)
Dr. Hans Welsch (1895-1970)
2013
Die Kinder der Kinderbaracke Indersdorf, 1944-45 verstorben,
Gedenkstelen im Friedhof Maroldstraße in Indersdorf
2014: Künstlerinnen
Marie Langer-Schöller (1878-1969)
Paula Wimmer (1886-1971)
Maria Debus-Digneffe (1876-1956)
Marie Keller-Hermann (1868-1952)
2015: Drei Historiker - Drei Jahrhunderte
Wiguleus von Hundt (1514 -1588)
Friedrich Hector Graf von Hundt (1809 – 1881)
Dr. Gerhard Hanke (1924 -1998)
2016: Sozial engagierte Frauen
Die beiden Vorsitzenden des Dachauer Frauenbundes: Anna
Hörhammer (1871-1939) und Maria Pitzenbauer (1890-1976)
2017: Protestantische Siedler im 19. Jahrhundert
Daniel Walter und die Brüder Johann und David Ruth
2018: 128 Jahre Krankenpflege in Dachau
Die Mallersdorfer Schwestern
2020: Lorenz Strasser und Bartholomäus Ostermair
Handwerker mit künstlerischer Begabung
2021: Hermann Ramus und Werner Orlamünder
Opfer einer menschenverachtenden Ideologie
2022 Vier Komponisten aus Dachau im 20. Jahrhundert:
Aloys Fleischmann, Hans Neumeyer, Anton Goldhofer und August-Peter Waldenmaier
Aloys Fleischmann (1880 – 1964) Kirchenmusiker, Komponist und Musikpädagoge
Aloys Fleischmann wurde 1880 als Sohn des Schuhmachermeisters Alois und seiner Frau Magdalena in Dachau geboren. Der sehr begabte Dachauer studierte an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München und trat bereits mit 21 Jahren die Stelle des Chorregenten und Organisten an der Kirche St. Jakob an. Er gründete eine Musik- und Singschule, mit der er 1902 ein Krippenspiel aufführte, dem weitere zahlreiche erfolgreiche Aufführungen folgten. Unterstützt wurde er von Dachauern Künstlern und der Brauereifamilie Ziegler. Überregional bekannt wurde er durch seine Komposition „Nacht der Wunder“ von 1905. Nach seiner Heirat mit der deutsch-irischen Pianistin Tilly Swertz zog er nach Irland, wo er in Cork als Domkapellmeister tätig war. „Sein Wegzug hinterließ eine große Lücke“, schrieb Ursula K. Nauderer dazu im Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Musik in Dachau“. 2010 wurde ihm größere Aufmerksamkeit im Rahmen der Ausstellung „Aloys Fleischmann. Von Bayern nach Irland - Ein Musikerleben zwischen Inspiration und Sehnsucht“ zuteil. Begleitende Konzerte gaben Einblick in sein musikalisches Werk und am ehemaligen Elternhaus des Musikers in der Wieningerstraße 22 wurde eine Gedenktafel angebracht. Die Grabstelle der Familie besteht nicht mehr.
Hans Neumeyer (1887 – 1944) Komponist und Musikpädagoge
Hans Neumeyer wurde als Sohn einer alteingesessenen jüdischen Familie am 13. September 1887 in München geboren. Eine Augenkrankheit führte zu seiner frühen Erblindung mit 14 Jahren.
Sein Studium an der Musikakademie in München schloss er 1913 ab. Anschließend unterrichtete er Akustik und Improvisation in der ehemaligen „Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus“ in Hellerau bei Dresden und lernte dort seine Frau Vera Ephraim kennen.
1915 gründete er zusammen mit Valeria Cratonia die Jaques-Dalcroze-Schule in München und unterrichtet dort einige Jahre. Nach seiner Heirat mit Vera 1920 zog Hans Neumeyer in das Haus Nr. 10 in der damaligen Hindenburgstraße, der heutigen Hermann-Stockmann-Straße.
Hier wurden die beiden Kinder Ruth und Raimund geboren. Trotz seiner Sehbehinderung war Neumeyer ein begabter Musiker und Komponist. Eine Berufung als Lehrer an die Musikhochschule in München wurde aufgrund der neuen restriktiven antijüdischen Gesetze zurückgezogen.
In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Familie aus ihrem Haus vertrieben. Die Kinder kamen mit einem Kindertransport nach England und überlebten den Krieg. Die Eltern starben im Konzentrationslager, Hans Neumeyer an den Folgen einer Tuberkuloseinfektion in Theresienstadt, Vera Neumeyer vermutlich im Ghetto Piaski. Die Stolpersteine vor ihrem ehemaligen Wohnhaus werden jedes Jahr bei einer Gedenkveranstaltung gepflegt. 2018 besuchten die Enkel Stephen und Tim Locke Dachau und sprachen bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht im Rathaus von Dachau.
Anton Goldhofer (1901 – 1975) Geiger, Komponist und Lehrer in Dachau
Anton Goldhofer wurde 1901 als Kind des Oberweichenwärters Andreas und seiner Frau Maria geboren. Er lernte beim Dachauer Chordirektor Georg Hablitzel Geige und wurde bereits als Jugendlicher Mitglied des Kirchenchors St. Jakob. Ab 1920 wirkte er als Volksschullehrer, später als Gymnasiallehrer. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit nahm er das Studium der Violine an der Münchner Musikhochschule auf, war in der Meisterklasse Felix Berber und machte 1924 seinen Abschluss. Bis 1932 war er Erster Geiger im Nationaltheater, dann verließ er Dachau und war Kriegsteilnehmer. Nach dem Krieg entstand eine große Zahl an Kompositionen: Messen, Requiems, Chorwerke, Vertonungen von Gedichten. Ab den 50er Jahren war Goldhofer wieder als Lehrer tätig und leitete Schulchöre und -orchester. 1954-66 unterrichtete er am Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasium. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Kompositionen nicht gespielt. Erst nach seinem Tod 1975 kamen auf Initiative seiner Witwe einige seiner Werke erstmals zur Aufführung - so 2005 u.a. im Rahmen der 1200-Jahrfeier der Stadt Dachau ein Requiem in St. Jakob. Sein Grab mit einer Künstlerplakette befindet sich im Alten Friedhof in Dachau.
August-Peter Waldenmaier (1915 – 1995) Musiker, Chorleiter und Komponist
Der Musiker wurde als Sohn des Dachauer Kapellmeisters Gustl Waldenmaier, Mitglied der „Original Dachauer Bauernkapelle“ und seiner Frau Katharina geboren. Seinen Unterricht erhielt er zunächst beim Dachauer Privatmusiklehrer Max Berkauf. Anschließend besuchte er die Münchner Musikhochschule um Klavier, Komposition, Dirigieren und Chorleitung zu studieren. 1942 arbeitete er als Chorleiter an der Semper-Oper in Dresden. Nach dem Krieg kehrte er nach Dachau zurück und organisierte Konzerte mit Dresdner Opernsolisten. 1946 gründete er im Dachauer Schloss eine Opernbühne, für die er die arbeitslosen Ensembles der Münchner Opernhäuser verpflichtete. Ein Jahr später löste sich der Betrieb wieder auf, als in München sowohl das Gärtnerplatztheater als auch das Prinzregententheater wiedereröffnet wurden. Die von ihm veranstalteten Konzerte begründeten die Tradition der bis heute stattfindenden Schlosskonzerte. 1948 -1960 arbeitete Waldenmaier für den Bayerischen Rundfunk als Aufnahmeleiter für die „Gehobene Unterhaltungsmusik“. 150 Kompositionen entstanden und über 1200 Arrangements im Bereich der Chor-, und Orchestermusik, Oper und Operette, geistlicher und Unterhaltungsmusik. Waldenmaier ist Träger des Goldenen Ehrenrings der Stadt Dachau.
Sein Nachlass ist in der Bayerischen Staatsbibliothek. In der Kulturwerkstatt in Olching wurde ein Raum nach ihm benannt. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Dachau.
Auswahlliteratur und Informationen
- Zweckverband Dachauer Galerien und Museen (Hg): Musik in Dachau. Dachau 2002.
- Zweckverband Dachauer Galerien und Museen (Hg): Aloys Fleischmann. Von Bayern nach Irland - Ein Musikerleben zwischen Inspiration und Sehnsucht. Dachau 2002.
- Andreas Pernpeintner: Aloys Georg Fleischmann (1880-1964). Musikalische Mikrogeschichte zwischen Deutschland und Irland, Tutzing 2014.
- Landkreis Dachau (Hg): Violinen der Hoffnung, Programm. Oberbergkirchen 2018.
- Holger Reiner Stunz: Rehabilitation durch kulturelle Leistungen und das Verwischen des traurigen Weltrufs: Theater und Musik in Dachau 1945-1950, München 2005.
- Klaus Haller: Anton Goldhofer (1901 - 1975). Geiger, Komponist und Musikpädagogie in Freising und Dachau, In: Amperland (47) 2011, S. 290 - 296.
Weiterhin:
August-Peter Waldenmaier
Hans Neumeyer
Auskünfte zu den Gräbern der Musiker erteilte freundlicherweise Anni Härtl, Dachau.
Ein Grab an der Nordostseite des Chores der Pfarrkirche St. Martin erinnert an zwei junge Männer, die in den letzten Kriegstagen in Eckhofen, am Ortsrand des Dorfes Kleinberghofen, den Tod fanden: Hermann Ramus, geboren am 12. März 1928 im hessischen Wrexen wurde nur 16 Jahre alt. Werner Orlamünder, geboren am 28. August 1928 in Saalburg in Thüringen, starb mit 17 Jahren am gleichen Tag, dem 29. April 1945.
Wie es dazu kam, ist auch heute noch nicht eindeutig geklärt. Der damalige Pfarrer Hintermeyer hielt in seiner Chronik fest, dass an diesem Tag die amerikanischen Streitkräfte durch Kleinberghofen zogen: „Die ganze Nacht rollten die Panzer. In Richtung Altomünster-Indersdorf waren schon am Samstagabend Schießereien zu hören.... Und dann kamen sie, die Amerikaner. ... Von da an ein pausenloses Rattern der Panzer und Fahrzeuge den ganzen Tag und die Nacht hindurch, dazwischen Schüsse. Am Nachmittag hieß es: außerhalb Eckhofen liegen zwei junge Soldaten tot im Straßengraben.“
Der Zeithistoriker Jürgen Zarusky, der unlängst posthum den Herman-Ehrlich-Preis für seine umfassenden Recherchen zum NS-Regime erhielt, hatte bereits 1986 dazu Nachforschungen unternommen, die in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurden.
Er fand heraus, dass die beiden Toten Kanoniere der Schweren-Flak-Ersatzabteilung 64 in Kassel waren. Im zivilen Leben war Hermann Ramus bei der Reichsbahn und Werner Orlamünder Verwaltungsangestellter gewesen.
Ihr Einberufungsbefehl kam zwischen Weihnachten und Neujahr 1944 und bereits am 18. Februar 1945 begann die Ausbildung. Nach nur sechs Wochen wurden die Jugendlichen zum Flugplatz Hessenthal bei Schwäbisch Hall gebracht, wo sie als Flugabwehrkanoniere in das Z.B.V-Bataillon 7117 eingegliedert wurden. Wohin es gehen sollte, wussten die jungen Soldaten nicht. Zarusky schrieb, dass diese Truppe „schon ein ziemlich verlorener Haufen gewesen sein (müsse), der sich danach Südosten fortbewegte: ein paar Dutzend Jugendliche, einige Geschütze - manche davon wurden mangels anderer Zugmaschinen von Traktoren gezogen...“. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits offensichtlich war, dass der Krieg verloren war, wurden in den letzten Kriegstagen noch viele junge Männer in aussichtslose Kämpfe mit den Alliierten geschickt. Dazu zählte derjenige am Ortsrand von Eckhofen, wo Ramus und Orlamünder mit ihrem Zug auf eine Einheit der Amerikaner stießen. „Der Amerikaner überraschte uns“, berichtete Karl Isenberg, ein Kamerad der beiden, der überlebte. Die halbwüchsigen deutschen Soldaten seien von den Fahrzeugen abgesprungen und an einer Böschung am rechten Straßenrand in Deckung gegangen. Es hätten sich einige aufgerichtet, trotz Warnung den „Blödsinn“ zu lassen. Wie es dann letztendlich dazu kam, dass auf die beiden geschossen wurde, ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Beide starben an Ort und Stelle.
Dort blieben die beiden Toten längere Zeit liegen - die Amerikaner waren auf dem Weg zur Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. Josef Wagner, der Brunner-Bauer vom Eckhof fasste sich als erster ein Herz, lieh sich ein Pferdefuhrwerk und nahm als Helfer den fünfzehnjährigen Nachbarssohn Ludwig Ostermair (den späteren Bürgermeister von Kleinberghofen) mit und barg die Toten, die im Feuerwehrhaus aufgebahrt wurden. „Am Dienstag betteten wir sie in unseren Friedhof. Fast die ganze Pfarrei gaben ihnen das letzte Geleite“, hielt Pfarrer Hintermeyer fest.
Das Grab wird bis heute vom Krieger- und Soldatenverein Kleinberghofen gepflegt. So wird die Erinnerung an die beiden jungen Männer wachgehalten und damit auch die Erinnerung an einen sinnlosen Einsatz von jungen Menschen, die einer menschenverachtenden Ideologie geopfert wurden.
Benutzte Literatur:
Jürgen Zarusky: Ein sinnloser Tod in den letzten Kriegstagen. In: Süddeutsche Zeitung 15./16. November 1986.
Klaus-R. Witschel: Kleinberghofen. Dorf- und Hofnamensgeschichte, Weichs 2005, S.57-59.
Eine ausführliche Schilderung des Kriegsendes anhand von Quellen und Zeitzeugenberichten findet sich bei Reinhard Kreitmair: Kleinberghofen. In: Erdweg. Eine Gemeinde in Geschichte und Gegenwart, Erscheinungstermin 2022.
Über die Persönlichkeiten, an die dieses Jahr im Rahmen der Reihe „Gegen das Vergessen“ erinnert wird, wissen wir außer einiger Lebensdaten nur sehr wenig. Ihre Werke im Landkreis Dachau sind jedoch an vielen Stellen noch präsent: die Haustafeln der Familie Strasser und die Mörtelplastiken Bartholomäus Ostermairs. Sie entstanden im 19. Jahrhundert im Dachauer Land und stellen bis heute eine Besonderheit in Bayern dar. Während der damalige ländliche Hausbau eher schlicht gehalten wurde, setzte man mit diesem neuen Fassadenschmuck einen besonderen Akzent, der gleichzeitig auch noch himmlischen Schutz versprach.
An Bauernhäusern wurden Haustafeln aus Solnhofer Stein von Lorenz Strasser angebracht, während man an den Stallgebäuden Mörtelplastiken Bartholomäus Ostermairs wählte.
Lorenz Strasser (1795-1866)
Der Maurer Lorenz Strasser wurde 1795 als erstes von sechs Kindern des Ehepaars Afra und Anton Strasser geboren und am 27. Mai des gleichen Jahres in der Kirche in Großberghofen getauft. Drei Jahre später kauften seine Eltern ein Leerhaus in Walkertshofen. Dieses Haus Nr. 7 mit dem Hausnamen „Maurerlenz“ wurde Lorenz Strasser am 23. April 1831 übergeben.
Am 3. Mai 1831 heiratete Strasser Monika Mayer aus Guggenberg, mit der er drei Kinder, Maria Anna, Franz Xaver und Creszentia hatte. Nach seinem Tod am 30. November 1866 verkaufte die Witwe das Haus an den Nachbarn Kaspar Axtner.
Wie der gelernte Maurer Lorenz Strasser auf die Idee kam, aus Solnhofer Kalkplatten eine Bild/Schrifttafel zu gestalten, ist nicht überliefert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Kalkplatten vor allem als Bodenbelag genutzt – Strasser brachte sie hingegen an Hausmauern an: die quadratischen Tafeln mit einem Maß von 30 x 30 cm bis 45 x 45 cm wurden meist symmetrisch links und rechts des Eingangs eingemauert. Auf einer Tafel sieht man meist eine christliche Darstellung wie die Kreuzigung Christi, die hl. Familie, Heilige oder Gnadenbilder wie das der Madonna von Taxa. Auf der anderen Tafel findet sich häufig der Namen des Erbauers mit dem Baudatum und ein frommer Sinnspruch.
Die Zuordnung der Tafeln an Strasser wurde bereits 1939 von Adolf Stois vorgenommen, dem wir auch die erste Bestandsaufnahme und Analyse der Werke verdanken. 1938 zählte er noch in 122 Ortschaften der damaligen Bezirksämter Dachau, Aichach, Friedberg, Schrobenhausen, Bruck und München 366 Anwesen mit Haustafeln. Sie waren im Zeitraum zwischen 1840 und 1863 entstanden. Stois hielt auch die Mitarbeit der Tochter Maria Anna Strasser für wahrscheinlich. Ihr werden die Inschriften und die farbige Fassung zugeschrieben, da sie wohl auch Schriften und Symbole für Getreidesäcke entwarf.
Stois Zuschreibung an die Familie Strasser erfolgte aufgrund von Erinnerungen Einheimischer, dem Fund seiner als „Erstlingswerk“ eingestuften Haustafel für die Eltern Strasser und, dass sich gerade in der Nachbarschaft von Walkertshofen rund um den Petersberg auffällig viele Haustafeln erhalten haben.
Obwohl heute leider viele Bauernhäuser der damaligen Zeit nicht mehr bestehen, wurden viele Tafeln in Ehren gehalten und häufig auch an Neubauten als Haussegen wieder eingemauert. In jüngerer Zeit hat sich der Heimatforscher Helmut Gröss aus Vierkirchen den Haustafeln angenommen, sie fotografiert und 2017 eine Ausstellung im Schaudepot Pasenbach organisiert.
Bartholomäus Ostermair, genannt „Saubartl“ (1837-1899)
Bartholomäus Ostermair ist der zweite Maurer, an den dieses Jahr erinnert wird. Er wurde am 15. August 1837 als zehntes von 12 Kindern der Gütlerseheleute Johannes und Walburga Ostermair im Stefflerbauernanwesen in Metzenried bei Altomünster geboren. Da er als zweitältester Sohn nicht als Hoferbe in Frage kam, erlernte er ein Handwerk.
Am 27. September 1865 feierte er in Schrobenhausen Hochzeit mit der Gütlerstochter Afra Huber von Singenbach. Beide schlossen einen Kaufvertrag über das Anwesen Nr. 8 (= Beim Saubartl) in Unterweilenbach bei Schrobenhausen. Am 10. April 1866 fand die kirchliche Trauung in der Pfarrkirche in Weilach statt. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor, wovon zwei den Beruf ihres Vaters ergriffen. Im Frühjahr und Sommer war Ostermair auf „der Stör“, d.h. als wandernder Handwerker nahm er Aufträge vor Ort an. Die Winter verbrachte er zuhause mit kunsthandwerklichem Arbeiten.
Ostermair starb am 3. Mai 1899 und wurde in Weilach beerdigt. Das Anwesen „Beim Saubartl“, das Ostermair besonders reich mit Mörtelplastiken, u.a. mit seinem Namenspatron dem Hl. Bartholomäus geschmückt hatte, besteht heute nicht mehr. Es wurde 1931 abgebrochen.
Ostermairs Mörtelplastiken sind im Gegensatz zu Strassers älteren Haustafeln Hochreliefs und zeigen häufig Tiere wie Rinder und ausschreitende Pferde, Bauernheilige wie den Hl. Wendelin als Schäfer, den Hl. Leonhard oder Hl. Isidor, der hinter einem Pflug geht. Es gibt auch Reiterheilige oder die Madonna aber auch profane Darstellungen wie Handwerker oder Fuhrwerke, mit denen Fässern transportiert werden. Alle Figuren formte Ostermair an Ort und Stelle, wo zuvor ein Feld für die Plastik abgetragen worden war. Die Basis bildete eine Holzleiste, um das Abrutschen der feuchten Masse zu verhindern. Für weitere Stabilität sorgten Ziegelsteine, Holzklötzchen, Nägel und Drähte, die ein Gerüst bildeten. Mit wahrscheinlich sehr einfachen Werkzeugen wurde die Grundform modelliert, mit Taschenmesser und Spachtel Details eingeritzt. Nach der Trocknung wurden die Figuren farbig gefasst. Die bis zu 75 cm hohen Darstellungen haben im Durchschnitt eine Reliefstärke von 5 cm. Wiederkehrende Motive scheinen auf eine Art von Musterbuch hinzudeuten, aus dem Ostermair schöpfte. An kleineren Gütern finden wir meist nur zwei bis drei Plastiken, an größeren Anwesen mehrere Darstellungen. Robert Böck zählte 1959 noch 38 Mörtelplastiken im Dachauer Land von ursprünglich 53, Josef Bogner 1967 42 Darstellungen. Heutzutage finden sich noch vereinzelt vor allem Tiere mit ihren Schutzheiligen an Stallgebäuden. Manchmal sind sie allerdings mit weißer Farbe übertüncht und verfälschen so das ursprüngliche Aussehen.
Literatur:
Adolf Stois: Haustafeln im Dachauer Land. Ein vergessenes Stück bäuerlicher Volkskunst, München 1939.
Robert Böck: Mörtelplastiken im nordwestlichen Oberbayern. In: Bayer. Jb f. Volkskunde, München 19591. Wieder veröffentlicht in: Volksfrömmigkeit und Brauch. Münchner Beiträge zur Volkskunde. Hg. Karl-S. Kramer, München 1990. Hier Lebensdaten, Inventar und Sytematisierung.
Josef Bogner: Bäuerliche Mauerplastiken im Amperland. In: Amperland Jg.3, 1967, S. 71-75.
Anton Mayr: Lorenz Strassers Haustafeln seit 170 Jahren im Altlandkreis Aichach. In: Aichacher Heimatblatt 2011, 59. Jg., Nr. 1, S.1-3. Ein weiterer Beitragdes Autors wird in der Chronik Erdweg 2021 erscheinen.
Xaver Ostermayr: Auf den Spuren von Bartholomäus Ostermayr, Aichach 2019.
Zur von Helmut Größ kuratierten Ausstellung in Pasenbach:
128 Jahre Krankenpflege in Dachau - Die Mallersdorfer Schwestern
Am 15. März 1864 traten die ersten drei Schwestern des Ordens der Franziskanerinnen ihren Dienst im Dachauer Krankenhaus an. 128 Jahre später, am 31. März 1992 verließen die letzten Schwestern den Ort.[1] Mehr als ein Jahrhundert leistete der Orden der Franziskanerinnen von der Heiligen Familie, auch „Mallersdorfer Schwestern“ nach ihrem Mutterkloster im niederbayrischen Mallersdorf genannt, einen wichtigen Beitrag zur Pflege der Kranken im Landkreis Dachau. Ein Grabstein an der nördlichen Friedhofsmauer des Alten Friedhofs erinnert an einige der Schwestern. Er wurde auf Anregung von Gästeführerin Anni Härtl im Auftrag des Landkreises Dachau, als Nachfolger des ehemaligen Distriktes 2018 restauriert. Wie kam es zu der langen Verbindung zwischen den Mallersdorfer Schwestern und dem Dachauer Krankenhaus?
Das Dachauer Spital im 19. Jahrhundert
Das 1823 erbaute Spital in der Gottesackerstraße gehörte ursprünglich dem Markt Dachau. Am 31. Dezember 1861 beschloss der Magistrat „daß das hiesige Lokalkrankenhaus sowie das gegenwärtig auf 690 Gulden 21 Kreuzer gewertete Mobiliar und die Summe von 9500 Gulden, und der daran anstoßende Hausgarten um die Summe von 500 Gulden an den Bezirk Dachau käuflich überlassen werden soll.“[2] Zuvor hatte es noch Debatten gegeben, ob denn die Errichtung eines Krankenhauses in Dachau überhaupt sinnvoll sei, schließlich verbreite die Papierfabrik unangenehme Gerüche, vor allem durch das Kochen der Hadern. Dagegen gehalten wurde, dass davon nur ein kleiner Teil des Marktes betroffen sei.
Der Distrikt erwarb das Spital, da es zu seinen Pflichtaufgaben gehörte, sich um die die Errichtung und Unterhaltung von Krankenanstalten zu kümmern.[3] Bereits 1862 hatte man sich mit den Schwestern in Verbindung gesetzt, um sie als Pflegepersonal zu gewinnen. Der Vorstand des Bezirksamtes Dachau bat am 8. Oktober 1862 um Arme Franziskanerinnen für das Krankenhaus, „da er von der segensreichen Tätigkeit der Schwestern in Starnberg gehört hatte“.[4]
Im Dienstvertrag, der am 7. Januar 1864 abgeschlossen wurde, verpflichtete sich der Distrikt nicht nur die Reisekosten, sondern auch die Kosten für einen Beichtvater zu übernehmen. Außerdem sollten Wohnung und Verpflegung im Krankenhaus und ein Zuschuß zur Kleidung von 30 Florin gewährt werden.[5] Zu diesem Zeitpunkt bestand das Krankenhaus aus einem Hauptgebäude und einem Rückgebäude mit bis zu 46 Krankenbetten. 1889 wurde dann ein neues Distriktskrankenhaus mit 56 Betten erbaut, 1970 erfolgte der Neubau des Kreiskrankenhauses.[6]
Der Orden der Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie
Die Schwestern gehörten einem jungen Orden an, der auf Initiative des Seligen Paul Josef Nardini 1855 gegründet worden war, um Hilfe bei der Armen- und Krankenpflege in seiner Pfarrei in Pirmasens zu leisten.[7] Zusammen mit zwei Franziskanerinnen wurde die neue Kongregation der „Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“ ins Leben gerufen, die 1857 vom Speyrer Bischof anerkannt wurde. Nach Nardinis Tod breitete sich der Orden sehr schnell nach Siebenbürgen, in die Pfalz und nach Bayern aus. Da das Mutterhaus in Pirmasens bald zu klein wurde, verlegte man das Kloster in das 1803 säkularisierte ehemalige Benediktinerkloster Mallersdorf, von wo sich die heute gängige Bezeichnung der „Mallersdorfer Schwestern“ ableitet. Die Schwestern waren und sind bis heute in sozialen Einrichtungen wie Kinderheimen, Kindergärten, Erziehungsheimen und Krankenhäusern tätig. Aktuell leben 150 Schwestern im dortigen Kloster, 350 weitere Schwestern und Pflegekräfte im benachbarten Alten- und Pflegeheim St. Maria und im Schwesternkrankenhaus St. Elisabeth.
Krankenpflege im 19. und 20. Jahrhundert
Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein rekrutierte sich das Pflegepersonal in Krankenhäusern hauptsächlich aus kirchlichen Orden, sowohl im katholischen als auch im evangelischen Bereich (Diakonissinnen).[8] Hier verwirklichten die Klosterschwestern vor allem ihr Gebot der Nächstenliebe, der Caritas: „Das Leben ist eine lange und fortwährende Ausübung der Liebe“, formulierte es der Ordensgründer der Mallersdorfer Schwestern, der Selige Paul Joseph Nardini.[9]
Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Krankenpflege spielte im 19. Jahrhundert die Krankenschwester Florence Nightingale, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Krimkrieg eine strukturierte Ausbildung forderte und auch Henri Dunant zur Gründung des Roten Kreuzes bewegte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden dann Krankenpflegeschulen, in denen sowohl weltliche Schwestern als auch Ordensschwestern für die Pflege ausgebildet wurden. Als Folge der Kriege des 20. Jahrhunderts hatte die Schwestern vor allem Kriegsverletzte zu versorgen. Die Zeit des Nationalsozialismus wurde zu einer schwierigen Zeit für alle Pflegekräfte, die zwischen staatlichen Verordnungen und ethischem und christlich geprägtem Berufsverständnis standen.[10]
Nach dem Krieg wurde mit Hilfe der Besatzungsmächte eine Neuordnung in der Krankenpflege angegangen. Ordensschwestern gehörten dabei neben weltlichen Schwestern weiterhin zum Pflegepersonal, nicht nur im Dachauer Krankenhaus. Ihre Anzahl nahm aber im Laufe der Jahrzehnte immer weiter ab. 1989 feierte der Orden in Dachau sein 125jähriges Dienstjubiläum, bei dem der damalige Landrat Christmann dessen Tätigkeit lobte und auch hervorhob, dass die seit 1942 in Dachau tätige Oberin Sr. Albana als eine der ersten ein Dokumentationssystem für alle ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen eingeführt habe.[11]
Zu diesem Zeitpunkt waren noch acht Schwestern im Dachauer Krankenhaus, davon fünf aktiv tätig.
Dachauer Bürger erinnern sich auch heute noch an die sehr herzliche Sr. Gerberga (Barbara Sossau + 1993), die auf der Geburtshilfestation tätig war und an Sr. Adelpolda (Margaretha Stiegler, + 1988), die sehr energisch auf der Männerstation Dienst leistete.[12] Beide wurden auf dem Friedhof in Mallersdorf bestattet.
Als sich 1991 abzeichnete, dass die letzten Ordensschwestern Dachau verlassen würden, sagte Landrat Hansjörg Christmann mit Blick auf die Zukunft: „Der Charakter unseres Hauses wird sich mit dem Weggang der Ordensschwestern verändern“.[13] Ein Jahr später endete dann die lange Geschichte der Mallersdorfer Schwestern in Dachau.
Birgitta Unger-Richter
[1] Mein Dank gilt Sr. George und Sr. Ritana aus Mallersdorf, die mir Informationen aus ihrem Archiv zur Verfügung gestellt haben. Weiterhin danke ich Sigi Heigl, Anni Härtl und Brigitte Fiedler, die Wissenswertes zu Mallersdorf und den Schwestern in Dachau vermittelten. Eine ausführliche Bearbeitung der Archivalien steht noch aus und wäre ein größeres Forschungsprojekt.
[2] Archiv Kloster Mallersdorf, Sr. George Huckle.
[3] s. Anm. 2 und Norbert Göttler: Gesundheitswesen, soziale Dienste und Einrichtungen. In: Kulturgeschichte des Dachauer Landes Bd. 1, Dachau 1992, S.56 – 63. Zur Pflichtaufgabe S. 56.
[4] Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Orden noch in Pirmasens. Erst 1869 zog der Konvent nach Mallersdorf um.
[5] s. dazu auch: Dachauer Neueste vom 11.04.1989 „Anfangs mit dreißig Florin Zuschuss“.
[6] Zur Geschichte der Spitäler /Krankenhäuser in Dachau s. Göttler, Anm. 3 und Georg Werner: Das Gesundheitswesen im Bezirksamt Dachau 1879-1885. In: Zeitschrift Amperland 45. Jg., 2009, S. 446-449. Weiterhin August Kübler: Dachau in verflossenen Jahrhunderten, Dachau 1928, S. 270 (dort Neubau des Distriktskrankenhauses im Jahr 1885). s.a.: Alexa A. Becker: Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vincenz von Paul an den klinischen Einrichtungen der Universität München und ihre Begegnungen mit dem Nationalsozialismus. Diss. phil. München (LMU) 2008. Abrufbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/9320/1/Becker_Alexa.pdfS.114 , dort auch Anm. 544-548 (23.10.2018)
[7] s. dazu: https://mallersdorfer-schwestern.de (abgerufen am 26.10.2018).
[8] zur Geschichte der Krankenpflege im 19. und 20. Jahrhundert: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Krankenpflege#19._Jahrhundert (abgerufen am 24.10.2018) und Christoph Schweikardt: Die Entwicklung der Krankenpflege zur staatlich anerkannten Tätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Zusammenwirken von Modernisierungsbestrebungen, ärztlicher Dominanz, konfessioneller Selbstbehauptung und Vorgaben preußischer Regierungspolitik. München 2008. Abgerufen am 24.10.2018) unter: http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/SchweikardtChristoph/diss.pdf, hier v.a. S.61-63 (19. Jh.) und S. 138 (20. Jh.).
[9] Zitat in der Ausstellung über Paul Joseph Nardini im Kloster Mallersdorf.
[10] s. dazu auch: Becker, Alexa zit. Anm. 6.
[11] Dachauer Neueste s. Anm. 5.
[12] Auskunft von Anni Härtl, 27.10.2018.
[13] s. Anm. 5.
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