Das Volksmusik-Projekt im Wittelsbacher und Dachauer Land

Ein ehemals LEADER-gefördertes Projekt mit Modellcharakter

Die Ziele des Projektes waren vielfältig: So sollte zum einen ein wertvoller Beitrag zur kulturellen Förderung und Bildung des Nachwuchses geleistet werden, zum anderen aber auch Volksmusik als identitätsstiftendes Merkmal erhalten und – wo nötig – wiederbelebt werden. Darüber hinaus galt es, Volksmusik im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und dadurch eine Steigerung der Identität mit der Heimat zu erreichen und die kulturelle Zusammenarbeit zwischen den beiden Landkreisen und aufgrund der besonderen Konstellation – auch zwischen den beiden Bezirken – zu fördern.

Durch die verschiedenen Maßnahmen des Projektes sollte eine breite Bevölkerungsschicht quer durch alle Generationen erreicht werden. Gerade durch die Identifikation mit den Traditionen und Werten der Region bleibt Heimat für Bürgerinnen und Bürger lebens- und liebenswert. Dabei geht es nicht nur um das Bewahren und Erhalten regionaler Traditionen, sondern auch um deren behutsame Weiterentwicklung.

Der Kulturraum Wittelsbacher und Dachauer Land

Die „Wiege Altbayerns", so wird die Region im Nordwesten von München – in Anspielung an das Adelsgeschlecht der Wittelsbacher, das hier seinen Stammsitz hat – gerne bezeichnet. Tatsächlich waren es die neu geschaffenen Herrschaftsstrukturen, die nach der Belehnung des wittelsbachischen Pfalzgrafen Otto VI. mit dem Herzogtum Bayern im Jahr 1180 die territorialgeschichtliche Entwicklung dieses Gebietes prägen sollten. Die neuen Landesherren gründeten u.a. die Stadt Friedberg (1264) zur Grenzsicherung gegen das Hochstift Augsburg, verliehen Dachau die Marktrechte (vor 1270) und erhoben Aichach zur Stadt (1347). Zudem konnten sie im Laufe der Jahrhunderte Rechte und Besitzungen anderer bayerischer Adelsfamilien (z.B. der Welfen und der Grafen von Dachau) an sich bringen und somit ein in sich weitgehend geschlossenes und politisch konsolidiertes Herrschaftsgebiet aufbauen. Im Zuge ihrer Verwaltungsorganisation schufen sie außerdem sogenannte Landgerichte, aus denen später die Bezirksämter und schließlich die heutigen Landkreise Dachau und Aichach-Friedberg hervorgehen sollten.

Die beiden Landkreise blicken jedoch nicht nur auf eine weitgehend parallele geschichtliche Entwicklung zurück, sie können auch auf gemeinsame kulturelle Traditionen verweisen. Die sanft geschwungene Hügellandschaft mit ihren fruchtbaren Böden erlaubte eine ertragreiche Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Auf der Grundlage dieser naturräumlichen Voraussetzung entstanden seit dem Mittelalter zahllose Dörfer, Weiler und Einödhöfe, die bis heute die Siedlungsstruktur des Landstriches zwischen Pöttmes im Norden und Dachau im Süden, Friedberg im Westen und Haimhausen im Osten bestimmen. Die bäuerlich geprägte Lebensweise fand ihren Niederschlag u.a. in gleichartigen bzw. ähnlichen Wohn- und Arbeitsweisen, Trachten und Dialekten, Volksliedern und Volkstänzen. Bedeutende Klöster wie in Indersdorf, Altomünster, Taxa, Kühbach oder Blumenthal legten bis zu ihrer Auflösung zu Beginn des 19. Jahrhunderts darüber hinaus den Grundstock zu einer tief verwurzelten Volksfrömmigkeit, die bis heute in zahlreichen Flurkreuzen und Feldkapellen, vor allem aber in bedeutenden Wallfahrtskirchen wie St. Leonhard in Inchenhofen, Maria Birnbaum in Sielenbach, Herrgottsruh in Friedberg oder Mariabrunn bei Röhrmoos ihren Ausdruck findet.

Seit dem späten 19. Jahrhundert ist jedoch auch diese Region von einem starken Strukturwandel gekennzeichnet. Begünstigt durch ein dichtes Verkehrsnetz – Bahnlinien, Bundesstraßen und Autobahnen durchziehen bzw. umrahmen das Gebiet – erfolgte eine immer stärkere Ausrichtung auf die Metropolen München und Augsburg. Gerade diese neuen wirtschaftlichen Verflechtungen hatten wesentlichen Anteil daran, dass bereits 1944 der Altlandkreis Friedberg und bei der Gebietsreform 1972 schließlich auch der neu gegründete Landkreis Aichach-Friedberg von Oberbayern nach Schwaben umgegliedert wurden. Dabei wechselten auch mehrere Gemeinden ihre Kreiszugehörigkeit. Überall solche Veränderungen hinweg sind in den beiden Landkreisen jedoch bis heute die gemeinsamen kulturellen Wurzeln allerorten spürbar.

Michael Ritter
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent für Regionalkultur beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e. V.

Der ehrenamtliche Volksmusikberater des Bezirks Schwaben für den Landkreis Aichach-Friedberg, Siegfried Bradl, hatte die Idee für ein bezirksübergreifendes Volksmusikprojekt im gewachsenen Kulturraum der Landkreise Dachau und Aichach-Friedberg. Seine Idee wurde seitens der Regionalentwicklungsvereine Wittelsbacher Land e. V. sowie Dachau AGIL e. V. aufgegriffen und mit bürgerschaftlichem Engagement weiterentwickelt. Das Konzept wurde in Abstimmung mit den fachlichen Instanzen – der Volksmusikberatung des Bezirks Schwaben und dem Volksmusikmusikarchiv des Bezirks Oberbayern – optimiert und beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Antrag auf LEADER-Förderung eingereicht.

Leider haben wir keinen Alternativtext zu diesem Bild, aber wir arbeiten daran.

Mit Hilfe des Programms „LEADER“ werden umfassende, innovative und partnerschaftliche Ansätze zur Stärkung ländlich geprägter Regionen gefördert. Im Januar 2013 fand die feierliche Überreichung des Zuwendungsbescheides in Anwesenheit des aus der Marktgemeinde Altomünster stammenden Bezirkstagspräsidenten des Bezirks Oberbayern, Josef Mederer, im Rathaus Altomünster statt. Die Pilotphase des Projekts umfasste ein Gesamtbudget von rund 175.000 Euro. Die Kosten teilten sich die beiden Regionalentwicklungsvereine, die Bezirke Oberbayern und Schwaben sowie kamen 60% aus dem LEADER-Topf. Projektträger und damit hauptverantwortlich war der Regionalentwicklungsverein Wittelsbacher Land e. V.

Die Pilotphase des Projekts war Anfang Oktober 2015 beendet. Die sich daran anschließende Nachhaltigkeitssicherung dauerte bis Oktober 2020. Eine geplante Abschlussveranstaltung musste leider aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Die alternative Veranstaltungsreihe „Aufgspielt draußn“ wurde auf 2021 verschoben. Ein Resumee veröffentlichte Dr. Elmar Walter vom Landesverein für Heimatpflege, Abtlg. Volksmusik 2020 in Volksmusik in Bayern Heft 3.